PETRA AMERELL - COLLAGEN

 

von Michael Schneider (Kunsthistoriker und Galerist)

 

Im Jahr 2003 hat sich die in München und Zürich lebende Künstlerin Petra Amerell intensiv dem Bereich der Collage gewidmet. Entstanden sind Serien mittelformatiger Werke. Parallel zu ihrer eher großformatigen Malerei hat sie sich somit ein Betätigungsfeld geschaffen, das nicht zwingend auf Korrespondenz hin ausgerichtet ist, sondern sich vielmehr als eigenständiges Experimentierfeld etabliert hat.

Beschränkt sich Petra Amerell in ihrer Malerei bewusst auf die Farbmaterie, die sie eigenhändig mit Binder aus Pigmenten herstellt und vielschichtig auf die Leinwand aufträgt, erweitert sie bei den Collagen das Spektrum der Ausgangsmaterialien um Papier und Kreiden sowie die Holztafel als Bildträger. Die Papiere sind dabei oft Abrisse von Plakaten und großen Bögen, deren Reiz in ihrer vorgegebenen Oberflächenstruktur, bisweilen in ihrer Eigenfarbe und seltener in einem aufgedruckten Muster besteht. Gern bemalt Petra Amerell auch vorab Papiere, um sie später als Elemente in ihren Collagen einzusetzen. Die Montage der Papiere gibt auf dem Bildträger eine Art von Bildkoordinaten vor: Farbfelder werden definiert, Gewichtungen werden angelegt, Abgrenzungen und Übergänge bauen sich auf. Dabei wird ein zugrundeliegender erster Farbauftrag häufig marginalisiert, denn durch die verhältnismäßig großen Flächen der eincollagierten Papiere ergibt sich unmittelbar eine neue Spannung, indem der Durchblick auf untere Partien vehement versperrt wird. Hier handelt es sich wahrscheinlich um den wesentlichen Unterschied zu Petra Amerells reiner Malerei, die Zug um Zug in Überlagerungen aufgebaut wird und somit intuitive Entscheidungen im Prozess der Flächengestaltung und -transparenz zulässt.

Die Papiere der Collagen wirken im Vergleich dazu als unregelmäßige dominante Binnenformen härter und evozieren so die weitere künstlerische Intervention. Diese besteht häufig in einer zeichnerischen Reaktion in farbigen Kreiden. Leichte Setzungen geschwungener Linien, vorsichtige Schraffuren und unregelmäßige Ovale bilden ein rudimentäres Vokabular, das teilweise sogar in die Andeutung einer Gegenständlichkeit getrieben wird, indem etwa Blütenformen aufscheinen.

Der besondere Reiz der Collagen Petra Amerells liegt in der ausgeprägten Interaktion, die zwischen den verschiedenartigen und -farbigen Formen sowie ihren variierenden Strukturen stattfindet und die zusätzlich durch ein raffiniertes zeichnerisches Spiel noch gesteigert wird.

So findet sie Bilder, die sprechen, die einer im Betrachter verborgenen Sehnsucht Ausdruck verleihen. Bei aller Vehemenz und Farbkraft, die zum Ausdruck kommt, ist da immer auch eine hohe Sensibilität, eine Art Poesie, die lenkend eingreift und die das große Spiel der Farben mit der Basis des Lebens verbindet.

Dabei erweist es sich als Glücksfall, dass sie das bewährte und berechtigte Feld ihrer Malerei im kleineren Format spielerisch zitieren kann und sich als so offen erweist, unter technisch veränderten Voraussetzungen auch lange Zurückgedrängtes und scheinbar Illegitimes – wie das Aufscheinen gegenständlicher Assoziationen – zuzulassen.