FRISCH GESTRICHEN

Zur Malerei von Petra Amerell


von Silvio Blatter (Schriftsteller, Maler, Kolumnist)

 

Es ist nicht ganz leicht, ein Bild zu malen. Das Problem ist weniger die weiße Leinwand, als der unsichtbare Draht zwischen Kopf und Hand. Natürlich verbringt Petra Amerell viel Zeit damit, vor der Leinwand zu stehen und über das Bild, das werden soll aber nicht werden will, nachzudenken. Mit visuellem Denken allein entsteht aber niemals ein Bild, der Kopf kann nicht malen. Die Hand allein schafft es auch nicht, sie schichtet zwar Farbe über Farbe, kratzt sie wieder ab, löst sie auf, erneuert sie, der Pinsel tropft darüber, gleitet, streicht Bahnen, die dick sind oder durchsichtig. Die Hand arbeitet wunderbar, die Malerin ist – ich wage den Ausdruck – glücklich: Und am anderen Tag sagt ihr der Kopf, so geht das nicht, die Farben klingen nicht zusammen, diese Linie hat zuwenig Energie, dieses Feld ist zu klein, das andere weitet sich zu sehr aus, hier fehlt Transparenz und dort Kraft. Kurz: Das Bild ist noch kein Bild. Es ist Farbe auf Leinwand. Ein Bild ist aber immer mehr, es ist Gestaltung, es spricht vom Farbgefühl und von der Farbempfindung der Malerin, es atmet, es ist aus der Bewegung und aus dem Farbensinn heraus entstanden, es hat am Ende, wenn es gelungen ist, Swing, einen Farbklang.

Das ist Sisyphus-Arbeit, das liebt sie: MALEN. Jedes Bild ist sehr lange unterwegs, im Inneren zuerst, dann auf der Leinwand. Petra Amerells Bilder sind Langsamstarter. Ein Bild ist fünf Wochen unfertig und wird dann in einer Stunde beendet. Eine andere Ökonomie scheint es für sie nicht zu geben. Und dieses Suchen, diesen Bildfindungsprozess sieht man ihren Arbeiten an. Das knistert unter der obersten Haut. Es drückt durch, tief transparent sind diese Bilder, Schichtenwerke und trotzdem so frisch am Ende, weil das Ende nicht langsam auströpfelnd kommt, sozusagen als Ausdünnung und versiegendes Rinnsal: sondern mit einem Energieschub, einem Schwung. Darum ist jedes gelungene Bild von Petra Amerell ein Kraftakt in Farbe.